Wundränder : Roman

Mall, Sepp, 2004
Verfügbar Ja (1) Titel ist in dieser Bibliothek verfügbar
Exemplare gesamt 1
Exemplare verliehen 0
Reservierungen 0Reservieren
Medienart Buch
ISBN 978-3-85218-458-6
Verfasser Mall, Sepp Wikipedia
Systematik L - Literatur (Belletristik)
Schlagworte Südtirol, Süddeutschland
Verlag Haymon-Verlag Ges.m.b.H.
Ort Innsbruck
Jahr 2004
Umfang 176 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Sepp Mall
Annotation Wundränder ist der erste Roman des mehrfach ausgezeichneten Südtiroler Autors Sepp Mall. Veröffentlicht wurden bisher seine Gedichtbände Läufer im Park (1992) und Landschaft mit Tieren unter Sträuchern hingeduckt (1998), die Erzählungen Verwachsene Wege (1993) und Brüder (1996, alle bei Haymon) und diverse dramatische Werke unter dem Titel Inferno solitario (Skarabäus, 2002). Wundränder besteht aus zwei Handlungssträngen, die am Ende zusammen laufen. Im ersten erzählt Mall die Geschichte einer Kleinbürgerfamilie mit halbwüchsigen Kindern, die den Vater verlieren, weil dieser zu Beginn des Buches als Südtirol-Attentäter gefaßt wird und später Selbstmord begeht. Im zweiten geht es um ein Geschwisterpaar, das von einem Bergbauernhof in die Stadt zieht, wo sich der sprachgestörte Bruder politisch zu betätigen beginnt. Er emanzipiert sich dadurch zwar von seiner Schwester, verliert aber dann bei einem Terror-Anschlag das Leben. Die Ereignisse werden auf eine nüchterne, gänzlich unsentimentale und unpathetische Weise abgehandelt. Eine ausgefeilte Spannungstechnik - mit zahlreichen Zeitsprüngen auch innerhalb der Kapitel - sorgt dafür, daß man das Buch nicht aus der Hand legt, obwohl man ahnt, wie es ausgehen wird. Den Hintergrund des Romans bilden die "Bumser"-Attentate der 60er-Jahre - Sprengstoff-Anschläge von Südtirol-Aktivisten auf Starkstrommasten, Polizeikasernen und staatliche Einrichtungen, bei denen häufig auch Menschen umkamen. Das Südtirol-Problem entstand, weil diese Provinz 1919 im Friedensvertrag von Saint Germain Italien zugesprochen wurde, obwohl die Bevölkerung zu 99% deutschsprachig war. Es verschärfte sich in der Mussolini-Zeit; das "Pariser Abkommen" von 1947 brachte nur eine Scheinautonomie. Erleichtert wurde die Unterdrückung der deutschen Minderheit erst in den 70ern durch ein Maßnahmenbündel, das "Paket", das nach zähen Verhandlungen beschlossen wurde und viele Jahre für seine Umsetzung brauchte. Der durchschnittliche Nordtiroler bekam diese Ereignisse nur am Rande mit. Für die Generation, der Malls junge Leute angehören, bedeutete Südtirol eine Art Schlaraffenland. Er verband damit billiges Schilaufen, Törggelen, Wein- und Salami-Schmuggel und Pullover-Käufe am Brenner-Markt, weshalb ein großer Teil der Öffentlichkeit auch nicht verstand, warum die "Bumser" unbedingt zu Österreich wollten. Insofern könnte dieses Buch bei vielen nördlich des Brenners beheimateten Lesern das Südtirol-Bild korrigieren. Etwa dahingehend, daß Pasta, Ossobucco, Wein statt Bier, und nostalgische 600er Fiats für "unsere Brüder im Süden" weniger Vorstellungen von Sonne, Sand und Urlaub als von Ärmlichkeit und Kleinbürger-Alltag beschwören und dass Straßen-Namen wie Carducci und Rosmini nicht als Exotismen wahrgenommen werden (oder bestätigen, daß man ungeheuer gebildet und kosmopolitisch ist, wenn man die beiden Herren kennt), sondern wie Markierungen fremder, feindlicher Horden im eigenen Territorium. Ebenfalls verblüffend ist für den Nordtiroler, daß den Mittel-Schülern in Wundränder Kontakte zu gleichaltrigen Italienern verboten werden, während unsereins in den 60er-Jahren bereits mit ausländischen Briefpartnern gequält und zu Feriensprachkursen genötigt wurde. Zweisprachigkeit und kulturelle Vielfalt - das, was viele Österreicher schon damals als Chance erkannten, wird zumindest von den Erwachsenen in Malls Roman als Zeichen ihrer Knechtschaft wahrgenommen. ("Unser schönes geknechtetes Land," heißt es auf S. 36.) Damit soll nicht gesagt werden, daß es für deutschsprachige Südtiroler nicht tatsächlich Benachteiligung auf vielen Gebieten gab, etwa, was Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst, Kindergartenplätze und Sozialwohnungen anlangt. Um Politik geht es allerdings in diesem Roman nur hintergründig, im Vordergrund stehen die unschuldig in den Konflikt gezogenen Angehörigen der Terroristen. Den beiden Schuljungen gelingt es, psychisch einigermaßen unbeschadet zu überleben, weil sie auf die Abwesenheit der Väter mit dem Rückzug in eine Welt des Fußballs, der Alltagsmythen und der erwachenden Sexualität reagieren können. Die wirklich Betroffenen sind die Frauen, die in ihrem Streben nach Kommunikation und Beziehung fortwährend frustriert werden, weil für sie in diesem Ambiente nur die Rollen des Muttertiers, des Lockvogels und Ausländer-Flittchens vorgesehen sind. So zeichnet sich ab, daß der Junge aus dem ersten Erzählstrang, der seinen Unfall mit einer leichten Behinderung übersteht, für die Krankenschwester zum Substitut für den von der Bombe zerrissenen Stotterer werden wird, und die junge Erika findet - zumindest im Rahmen des Romans - keinen geeigneteren Weg, ihren Vater zu strafen, als eine Ehe mit einem Mann aus dem italienischen Viertel anzupeilen. (S. 158) Nach der Lektüre des Romans habe ich mich zum ersten Mal bei dem Gedanken ertappt, daß es Länder gibt, für die die EU vielleicht kein Übel war. *Brenner-Archiv / Literaturhaus am Inn* Sylvia Tschörner
Bemerkung Katalogisat importiert von: Österreichisches BibliotheksWerk
Exemplare
Ex.nr. Standort
1027 L, Mal

Leserbewertungen

Es liegen noch keine Bewertungen vor. Seien Sie der Erste, der eine Bewertung abgibt.
Eine Bewertung zu diesem Titel abgeben